Bereits in der Antike wurden Feste gefeiert, die sich um die Ernte drehten. Mit der Verbreitung des Christentums wurde dieses Fest integriert, um die Menschen daran zu erinnern, Gott für die Ernte und seine Gaben zu danken.
Als Erntedankfest entstanden, war der Zusammenhang zwischen harter Arbeit auf dem Feld und dem vollen Teller am Ende des Tages für jeden offensichtlich. Eine Missernte konnte den Unterschied zwischen Überleben und Hungersnot bedeuten. Das Erntedankfest war ein direktes Echo auf das eigene Schicksal, eng verknüpft mit den Launen der Natur. Man feierte das, was der Boden hergab, oft mit einem tiefen Gefühl der Erleichterung und Demut.
Heute, in Zeiten von Supermärkten, die das ganze Jahr über Erdbeeren und Avocados anbieten, ist dieser direkte Bezug für viele von uns fast unsichtbar geworden. Die moderne Landwirtschaft hat zwar dazu geführt, dass wir in wohlhabenden Ländern kaum noch Angst vor leeren Speisekammern haben müssen.
Dieser Wandel hat das Erntedankfest, zumindest in seiner ursprünglichen Bedeutung, ein Stück weit entkoppelt. Wo früher die Dankbarkeit für die direkte Gabe des Bodens im Vordergrund stand, können wir uns heute fragen: Wofür danken wir eigentlich noch?
Statt der direkten Erleichterung über eine gelungene Ernte könnte es heute eine Gelegenheit sein, bewusster über die Herkunft unserer Lebensmittel nachzudenken. Wer steckt hinter den Produkten im Supermarkt? Welche Ressourcen werden dafür verbraucht? Das Erntedankfest erinnert uns, dass die Fülle in unseren Läden keine Selbstverständlichkeit ist. Es geht vielleicht nicht mehr primär um das Bangen vor der nächsten Ernte, sondern um einen bewussteren Umgang mit dem, was wir haben, und um eine Wertschätzung für die komplexen Systeme, die uns ernähren.